Die Stolpersteine der Tourenoptimierung

Wie bei den meisten komplexen Problemen ist die Mathematik auch bei der Tourenoptimierung der entscheidende Faktor.

Insbesondere die Operations Research liefert zahlreiche effiziente Algorithmen zur Lösung dieser Probleme, darunter die ganzzahlige lineare Programmierung und Metaheuristiken. Gleiches gilt auch bei der Optimierung von Touren, bei denen unter Berücksichtigung verschiedenster Einschränkungen Hunderte von Punkten angefahren werden müssen.

Doch selbst unter Zuhilfenahme dieser Algorithmen ist es in diesem Umfeld nahezu unmöglich, das mathematische Optimum zu ermitteln. Sie können jedoch zufriedenstellende Lösungen hervorbringen – weitaus besser als sie selbst erfahrene Experten auf manuelle Weise ausarbeiten könnten.

Die Kluft zwischen Theorie und Praxis

Je nach Kontext und der Zeit, die dem Rechner zum Ermitteln einer Lösung zur Verfügung steht, arbeitet ein Algorithmus Touren aus, die hinsichtlich der Anzahl der gefahrenen Kilometer oder eingesetzten Fahrzeuge um bis zu 40 % besser abschneiden als die eines Menschen.

Neben der Leistungssteigerung ist die Durchführbarkeit der von den Algorithmen errechneten Touren selbst unter Berücksichtigung spezifischer Einschränkungen gewährleistet: Fahrzeugkapazität, Zeitfenster für die Durchfahrt, Arbeitszeiten etc. Wann immer es mathematisch möglich ist, wird jeder Lieferpunkt ohne Verspätung angefahren, was die Servicequalität erheblich verbessert.

Bei so vielen Vorteilen erscheint es logisch, dass jedes Transport- und Logistikunternehmen mit einer Tourenoptimierungssoftware ausgestattet ist, die die tägliche Planung erleichtert.

Tatsächlich ist dies jedoch nicht der Fall.

Unserer Erfahrung nach verwendet die große Mehrheit der Unternehmen, deren Mitarbeiter im Rahmen ihrer Tätigkeit auf der Straße unterwegs sind, aktuell keine Tourenoptimierungslösung. Dies hat vier entscheidende Gründe:

  1. Das für den Einsatz einer solchen Lösung erforderliche Mindestmaß an Digitalisierung ist noch nicht erreicht (dies ist insbesondere bei kleinen Strukturen der Fall).
  2. Die möglichen Gewinne und Kosteneinsparungen durch die Tourenoptimierung werden im Vergleich zu einer manuellen Planung als nicht lohnenswert erachtet.
  3. Die branchenspezifischen Einschränkungen und Besonderheiten werden von herkömmlichen Tourenoptimierunglösungen nicht berücksichtigt.
  4. Bereits implementierte Lösungen lieferten enttäuschende Ergebnisse mit unrealistischen oder in der Praxis nicht durchführbaren Touren.

Die Ursachen: gut erkannt, aber selten gelöst

Die mathematische Tourenoptimierung bietet eine hervorragende Antwort auf die oben erwähnten Planungsprobleme. Angesichts der neuen Herausforderungen in der Logistikbranche, die operative Leistung mit geringeren Umweltauswirkungen zu verbinden, ist eine derartige Lösung mittlerweile nahezu unumgänglich. Und dennoch entscheiden sich zahlreiche Unternehmen weiterhin gegen ihren Einsatz. Meist ist es die Art und Weise der Umsetzung, die die Unternehmen daran hindert, alle Vorteile umfassend zu nutzen. Im Folgenden gehen wir noch einmal auf die wichtigsten Hürden für die erfolgreiche Nutzung einer Tourenoptimierungslösung ein:

1 – Unzureichende Datenqualität

Eines der ersten Hindernisse für den Einsatz einer Lösung zur Tourenoptimierung ist die Qualität der Daten: um einwandfrei funktionieren zu können, benötigt eine Lösung „saubere“ Daten.

Das im Zusammenhang mit KI-Anwendungsfällen oft zitierte Prinzip „garbage in, garbage out“ ist auch hier zutreffend. Bei Lieferadressen sowie den Gewichten und Volumen der einzelnen Sendungen handelt es sich um Daten, die nur schwer zu erfassen und zu bereinigen sind. In vielen Fällen werden Adressen manuell ausgefüllt, enthalten Fehler oder sind unvollständig. Dies wiederum erschwert die Geocodierung und die korrekte Berechnung von Entfernungen. Gewicht und Volumen der zu transportierenden Waren und Pakete werden, sofern vorhanden, noch immer häufig nur vom Absender angegeben und nicht weiter überprüft.

Erst in jüngster Zeit hat die Mehrzahl der Unternehmen einen ausreichenden Digitalisierungsgrad erreicht, dessen Datenqualität eine erfolgreiche Tourenoptimierung zulässt.

2 – Die Daten sind nicht in der Datenbank verzeichnet

Das zweite Problem bei der Tourenoptimierung besteht in der Tatsache, dass bestimmte für die Berechnungen benötigten Daten in keiner Datenbank zu finden sind – sie befinden sich vielmehr in den Köpfen der Planer. Dabei handelt es sich beispielsweise um umstandsbedingte Informationen, die nur an bestimmten Tagen zutreffen, oder um Daten, die (absichtlich oder unabsichtlich) nicht in die Datenbank eingetragen wurden:

  • Ein bestimmter Fahrer kommt morgens zu spät und beginnt seine Tour 1 Stunde später.
  • Das Geschäft eines Kunden ist zwar den ganzen Tag geöffnet, aber er möchte beliefert werden, bevor er um 9 Uhr seine ersten Kunden empfängt.
  • Eine bestimmte Straße wird täglich ab 13 Uhr zur Fußgängerzone.
  • Ein Fahrer möchte seine Tour in der Nähe seines Wohnorts beenden, um seinen Sohn von der Schule abholen zu können.
  • Ein anderer Fahrer kennt sich in einer bestimmten Gegend besonders gut aus und ist dort schneller als jeder andere.
  • Ein Kunde hatte Streit mit einem Fahrer und möchte nicht mehr von ihm beliefert werden.

Diese Beispiele verdeutlichen die ungeheure Komplexität, mit der Disponenten und Fahrer tagtäglich konfrontiert sind. Um eine realistische Lösung zu erzeugen, müssen all diese Einschränkungen und Besonderheiten bei der Tourenoptimierung berücksichtigt werden. Wenn diese Daten allerdings in keiner Datenbank verfügbar sind, hat der Algorithmus kaum eine Chance.

3 – Hochgradig spezifische Einschränkungen

In zahlreichen Tätigkeitsfeldern finden sich hochspezifische Einschränkungen:

  • Ab einem bestimmten Gewicht erfordert die Lieferung von Möbeln zwei Zusteller
  • Bei einigen Einsätzen müssen die Techniker Material in einem PUDO-Zentrum (Pick-Up / Drop-Off) abholen
  • Die Zeit, die ein Techniker bei einem Kunden verbringt, kann sich je nach Komplexität des Einsatzes um das Zwei- bis Vierfache erhöhen
  • Beim Transport von Massengütern kann an bestimmten Abholstellen nur ein Fahrzeug zur Zeit vorstellig werden

Es gibt so viele verschiedene Einschränkungen, wie es Unternehmen gibt.

Wenn diese Einschränkungen bei der Tourenplanung nicht berücksichtigt werden, sind die gelieferten Lösungen weder angemessen noch realistisch, sodass der Benutzer gezwungen ist, die erhaltene Planung mit einer Vielzahl manueller Anpassungen zu ergänzen. Diese Anpassungen verschlechtern unweigerlich die Gesamtleistung der berechneten Touren.

4 – Ein besonders dynamisches Geschäftsumfeld

Ein großes Problem bei der Tourenoptimierung ergibt sich aus der ultradynamischen und sich ständig ändernden Natur des Außendienstes.

Staus, abwesende Kunden, falsche Adressangaben, Parkschwierigkeiten: Die letzte Meile ist mit Hindernissen geradezu gespickt.

Während die meisten Lösungen zur Tourenoptimierung statisch arbeiten (Tourenberechnung und Cut-Off), gestaltet sich die letzte Meile besonders dynamisch und erfordert absolute Reaktionsfähigkeit. So sind die zu einem Zeitpunkt T berechneten Touren bereits wenige Minuten später nicht mehr durchführbar.

Und so klafft bei der Tourenoptimierung eine Lücke zwischen Theorie und Praxis, die die Lösungen der Softwarehersteller oft nur schwer überbrücken können.

Bei Kardinal geht es um weit mehr als nur um Algorithmen: Wir stellen unseren Kunden eine Lösung zur Tourenoptimierung bereit, die sowohl leistungsfähige als auch realistische Lösungen in die Praxis umsetzt und sie optimal mit den individuellen Geschäftszielen vereint.

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Der Autor

Cédric Hervet ist der Chief Product Officer Leiter des von ihm im Jahr 2015 mitbegründeten Tech-Startups Kardinal, das sich der Transport- und Logistikbranche verschrieben hat. Als Doktor der Mathematik erforscht und entwickelt er seit über 10 Jahren Systeme der Künstlichen Intelligenz für industrielle Anwendungen in den Bereichen Telekommunikation, digitales Marketing und Transport.

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