Postbranche: Führungskräfte bereit für den Wandel
- 8 Juni 2023
- 6 mins
Die Post- und Briefbranche durchläuft derzeit einen bedeutenden Wandel, der insbesondere auf die zunehmende Digitalisierung sowie die veränderten Erwartungen und Ansprüche der Verbraucher zurückzuführen ist. In einem äußerst wettbewerbsintensiven Umfeld müssen sich die Postunternehmen neu erfinden, um mit den sinkenden Marktanteilen und steigenden Betriebskosten Schritt halten zu können.
Führungskräfte sind sich der Notwendigkeit bewusst, sich diesen neuen Herausforderungen zu stellen. Um das Wachstum zu fördern und den Fortbestand ihrer Organisationen zu sichern, fokussieren sich in erster Linie auf die folgenden Kernbereiche: Nachhaltigkeit, Innovation und Zusammenarbeit. Vor diesem Hintergrund berichteten auf dem Leaders in Logistics Summit im März 2023 in London zahlreiche Postunternehmen in aufschlussreichen Diskussionen über ihre Erfahrungen.
Der Zustellungsmarkt: wettbewerbsintensiv und unbeständig
Die Briefbranche im freien Fall
Seit etwa zehn Jahren sehen sich die Postbetreiber mit einem Rückgang des Briefvolumens konfrontiert. Laut einer Studie des Statistik-Portals Statista ist die Zahl der weltweit zugestellten Briefe zwischen 2011 und 2020 mit 360 Milliarden statt 263 Milliarden Briefen pro Jahr um 27 % zurückgegangen. Sämtliche Postunternehmen sind von diesem Trend betroffen: Die französische Gruppe La Poste verzeichnete im Jahr 2022 einen Rückgang von 8 % gegenüber 2021, die Deutsche Post DHL Group einen Rückgang von -0,7 %, CTT Correios de Portugal einen Rückgang von -5,6 % und Poste Italiane einen Rückgang von -5,3 %. Gleichzeitig führte der explosionsartige Anstieg des Onlinehandels während der Coronakrise zu einem starken Anstieg des Paketvolumens. Entsprechend stark nahm das Paketgeschäft der Postunternehmen zu und macht z. B. bei Royal Mail inzwischen mehr als die Hälfte der Einnahmen aus.
Ein hart umkämpfter Paketmarkt
Die Paketbranche zählt bereits zahlreiche Markteilnehmer – und die Postunternehmen müssen ihren Platz unter den großen spezialisierten Akteuren wie DHL, DPD (Chronopost, BRT, SEUR etc.), FedEx, UPS, GLS, Evri, Yodel sowie kleineren regionalen Organisationen finden. Während der Eröffnungssitzung des Leaders in Logistics Summit berichtete Andre Pharand (Global Managing Director des Geschäftsbereichs Postdienste bei Accenture), dass die Post zunehmend Marktanteile an kleinere B2C-Anbieter verliert, die nur geringe Vermögenswerte aufweisen und einen flexiblen und zuverlässigen Service zu günstigen Preisen anbieten können. So sei der Paketmarktanteil der Royal Mail Group von 55 % im Jahr 2016 auf 38 % im Jahr 2020 gesunken, der der Swiss Post von 89 % auf 80 %.
Krieg in der Ukraine: sinkende Volumen und steigende Kosten
Nach den für die Lieferbranche außergewöhnlichen Jahren 2020 und 2021 gingen die Volumina 2022 wieder zurück. In der Diskussionsrunde „Digital, sustainable, efficient: logistics in a post-Covid world“ auf dem Leaders in Logistics Summit verdeutlichte Thiemo van Spellen, Group Global Accounts Managing Director der Geopost-Gruppe: „Nach der Coronakrise, während der Volumen und Aktivität drastisch anstiegen, hat sich die Situation Anfang 2022 normalisiert. Dieser Negativtrend wurde durch die russische Invasion in der Ukraine noch beschleunigt. Im europäischen Raum geben die Verbraucher weniger Geld im Onlinehandel aus – was sich direkt auf unsere Volumina auswirkt.“
Tatsächlich führen die geopolitischen Unsicherheiten zu einer weltweiten Inflation – mit einer doppelten Belastung für die Transportunternehmen:
- Steigende Betriebskosten durch höhere Treibstoff- und Energiepreise
- Ein signifikanter Rückgang der Paketvolumen
Charles Brewer, CEO der Pos Malaysia Group, beobachtete insbesondere zwischen 2021 und 2022 einen Rückgang des Paketvolumens um 30 %. Die Ursachen: das makroökonomische Umfeld sowie die verschärfte Wettbewerbssituation. Ähnliches gilt für nahezu alle Postunternehmen: -5,3 % Volumenrückgang bei den von USPS im Jahr 2022 ausgelieferten Paketen, -4 % bei Swiss Post, -10 % bei Colissimo (La Poste), -6 % bei PostNord und -3,8 % bei PostNL.
Im Fokus: Innovation und Digitalisierung
Damit die Postanbieter diese Herausforderungen bewältigen und wettbewerbsfähig bleiben können, müssen sie ihre Prozesse entsprechend anpassen und modernisieren. Innovation durch Digitalisierung ist das klare Mittel der Wahl, um in der heutigen Welt relevant zu bleiben. Unter anderem können die Postdienste die Digitalisierung nutzen, um ihre Abläufe zu rationalisieren, das Kundenerlebnis zu verbessern und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.
KI im Dienste der Postbranche
Um ihre Leistung und Rentabilität zu steigern, wendet sich die Logistikbranche neuen Technologien und insbesondere der Künstlichen Intelligenz (KI) zu. Dies ist auch bei der Pos Malaysia der Fall, die sich derzeit mit der Umgestaltung und Optimierung der Customer Journey auseinandersetzt. Charles Brewer, CEO des Konzerns, berichtete davon auf dem Leaders in Logistics Summit: „Seit Kurzem setzen wir für die Bearbeitung von Kundenanfragen Chatbots ein, da unsere Kundschaft das Telefon vermehrt meidet. Mittlerweile nutzen wir ChatGPT für die Beantwortung von 48 % der eingehenden Anfragen. Dadurch konnten wir die Kosten senken und eine bessere Serviceerfahrung gestalten.“ Zu den von Pos Malaysia umgesetzten Digitalisierungsmaßnahmen zählt außerdem die Verlagerung der IT-Systeme in die Cloud, wodurch die damit verbundenen Kosten um etwa 40 % gesenkt werden konnten.
Die Künstliche Intelligenz ist zudem ein hervorragendes Mittel zur Verbesserung der Datenqualität und genauen Analyse der geschäftlichen Abläufe. Unter anderem ermöglicht sie Unternehmen, ihre Liefernetze zu optimieren und potenzielle Geschäftsentwicklungen umfassend zu antizipieren. Auf diese Weise können die für die Erfüllung der Kundenerwartungen erforderlichen Ressourcen optimal geplant und eingesetzt werden. Darüber hinaus tragen die technologischen Tools dazu bei, die manuellen und zeitaufwendigen Aufgaben des operativen Personals zu reduzieren und die Betriebskosten zu senken. So können sich die Mitarbeitenden auf Aufgaben mit einem höheren Mehrwert konzentrieren und fundierte, datengestützte Entscheidungen treffen.
Kardinal begegnet diesen Herausforderungen mit einer hochleistungsfähigen Softwarelösung, die sich aus den beiden folgenden Modulen zusammensetzt:
- Territory Analytics & Optimization (TAO) für die Gebietseinteilung und -optimierung: ermöglicht Niederlassungsleitern die Analyse und Optimierung ihrer betrieblichen Abläufe sowie die Simulation von Geschäftsszenarios.
- Always-On Route Optimization (ARO) für die Tourenoptimierung: die kontinuierliche Optimierung ermöglicht eine Anpassung der Touren in Echtzeit und erzielt eine optimale Vereinbarkeit mit den tatsächlichen Begebenheiten vor Ort.
„Als Entscheidungshilfe unterstützt die Lösung von Kardinal Paketunternehmen in ihrem Ziel, einen agilen und resilienten Betrieb aufzubauen“ so Jonathan Bouaziz, CEO und Mitbegründer von Kardinal, im Rahmen der Podiumsdiskussion „Picking the winners: which technologies are set to deliver mainstream logistics transformation?“ auf dem Leaders in Logistics Summit.
Auch in den Lagerhäusern der Paketunternehmen gewinnen Robotik und Automatisierung zunehmend an Bedeutung. Sven Richard Magerøy Tønnessen, Head of Emerging Technologies bei Posten Norge, berichtete in einer Podiumsdiskussion zum Thema Innovation auf dem Leaders in Logistics Summit von einem kürzlich durchgeführten Test, bei dem Drohnen die Lieferung von Wasserproben an ein Labor übernahmen. Bei einer Lieferstrecke von 60 km konnte die Drohnenzustellung „die transportbedingten Emissionen um 99 % reduzieren“. Die überzeugenden Testergebnisse bestärkten Posten Norge darin, diese Technologie auch bei weiteren Vorgängen einzusetzen, u. a. bei der Bestandsverwaltung in den automatisierten 3PL-Lagerhäusern des Unternehmens.
Innovation durch Zusammenarbeit
Für die Realisierung des Drohnen-Lieferdienstes ging Posten Norge eine Partnerschaft mit Aviant – dem Expresslieferdienst der Swiss Post – sowie einem Kunden ein. Tatsächlich beschleunigt die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Postunternehmen die Bereitstellung der neuen Technologien – dennoch versuchen einige Anbieter, ihre Tools und Systeme im Alleingang zu etablieren. Mike Richmond, Chief Commercial Officer von Doddle, betont in diesem Zusammenhang: „Durch die partnerschaftliche Zusammenarbeit können wir unsere Ziele weitaus schneller erreichen.“ Die Swiss Post hat diesen Vorteil bereits erkannt und vor sechs Jahren eine eigene Investment-Abteilung gegründet. Seitdem wurden bereits 16 Start-ups mit jeweils 1 bis 2 Millionen Schweizer Franken unterstützt. Thierry Golliard, Director of Open Innovation and Venturing bei Swiss Post, bestätigt: „Externe Partnerschaften mit Universitäten, Start-ups und weiteren Organisationen ermöglichen es uns, bei Innovationen einen Schritt voraus zu sein und relevant zu bleiben.“
Um Ideen zu fördern und mit den betriebsinternen Bedürfnissen und strategischen Zielen übereinstimmende Lösungen schneller voranzubringen, hat CTT Correios de Portugal derweil das Startup-Programm „1520“ entwickelt. So entwickelte der Postdienst beispielsweise mit dem auf Robotik spezialisierten Start-up Robosavvy die Implementierung von drei automatisch gesteuerten Fahrzeugen, die in Kombination mit einem Roboterarm über 90.000 Pakete / Tag bearbeiten.
Dynamische Preisgestaltung als Antwort auf schwankende Paketvolumen
Angesichts der steigenden Betriebskosten suchen die Postbetreiber nach Wegen, um die aufgrund sinkender Volumina entstehenden Verluste auszugleichen. Die traditionell rigide Preisgestaltung der Branche wird in der Regel für ein Jahr im Voraus festgelegt. Paketunternehmen wie FedEx und UPS setzen dagegen auf eine zunehmend dynamische Preisgestaltung. Bei diesem bereits seit Längerem von Fluggesellschaften angewandten Prinzip werden die Preise bei hoher Nachfrage und geringen Kapazitäten erhöht und bei geringer Nachfrage und höheren Kapazitäten gesenkt. Somit variieren die Preise in Abhängigkeit der verfügbaren Kapazitäten – was eine entsprechende Messmöglichkeit seitens der Fluggesellschaften voraussetzt. Die digitale Plattform Open Pricer unterstützt bereits zahlreiche große Paketzusteller bei dieser Herausforderung.
Dank einer dynamischen Preisgestaltung konnte beispielsweise FedEx während der Peak Season 2022 hinsichtlich der Gebühren für die Lieferung bis an die Wohnungstür einen Gewinn von 150 Millionen US-Dollar erzielen. Die zusätzlichen Gebühren wurden wöchentlich und im Vergleich zu den zu Jahresbeginn bearbeiteten Paketaufkommen angepasst. Auch für Postunternehmen zeichnen sich mit dieser Art der Preisgestaltung neue Chancen ab.
Verstärkte Anstrengungen für eine nachhaltigere Zustellung
Das wachsende Bewusstsein für die Umweltauswirkungen der Paketzustellung veranlasst die Postunternehmen weltweit, ihren Betrieb nachhaltiger und umweltfreundlicher zu gestalten.
Postunternehmen streben vereint nach Nachhaltigkeit
In Partnerschaft mit der Kahala Posts Group (KPG) haben sich seit 2008 bereits über zwanzig Postbetreiber dem Pilotprogramm zur Messung und Reduzierung von CO₂-Emissionen (Environmental Measurement and Monitoring System – SMMS) der IPC (International Post Corporation) angeschlossen. Zu den 24 teilnehmenden Postunternehmen zählen unter anderem bpost, Correos, Le Groupe La Poste, Deutsche Post DHL, Swiss Post, PostNord, PostNL, Royal Mail und USPS.
Das SMMS-Programm bietet eine gemeinsame Struktur für die Messung und das Monitoring der Nachhaltigkeitsmaßnahmen und ermöglicht einen sektorübergreifenden Austausch bezüglich der angewandten Strategien für das Nachhaltigkeitsmanagement, Leistungen und Erfolge. Alle teilnehmenden Postunternehmen haben sich verpflichtet, bis 2030 die folgenden Nachhaltigkeitsziele zu verfolgen:
- Reduzierung der transport- und energiebedingten Emissionen um 50 % (im Vergleich zu den Ausgangswerten in Höhe von 5,9 Millionen Tonnen im Jahr 2019)
- 75 % Energie aus erneuerbaren Quellen für den gebäuderelevanten Energieverbrauch
- Fahrzeugflotte mit mindestens 50 % durch alternative Kraftstoffe betriebenen Fahrzeugen, darunter mindestens 25 % Elektrofahrzeuge
- 50 % nachhaltige Verpackungen
- 75 % Abfallrecycling oder Wiederverwendung statt Entsorgung
Laut einer Studie von EMMS aus dem Jahr 2022 vermeldeten die Postunternehmen im Jahr 2021 einen Rückgang der Emissionen um 4 % im Vergleich zu 2019 und bis zu 34 % im Vergleich zu 2008. Seit 2008 konnten die Emissionen durch die vereinten Anstrengungen der Postanbieter um 25,7 Millionen Tonnen CO₂ reduziert werden. Parallel dazu stieg die Zahl der Elektrofahrzeuge um 629 %: von 17.000 im Jahr 2012 auf 107.000 im Jahr 2021 – was einem Fuhrparkanteil von 17 % entspricht.
Intensivierung der Einzelinitiativen
Die verschiedenen Postunternehmen ergreifen auch eigene Initiativen, um der Forderung nach einer umweltfreundlicheren Zustellung nachzukommen. PostNord, der Zusammenschluss der schwedischen Posten mit der dänischen Post Danmark, hat beispielsweise die folgenden Projekte ins Leben gerufen, um bis 2030 das Ziel der CO₂-Neutralität zu erreichen:
- Senkung der Straßentransportemissionen durch die Schaffung grüner Korridore in Südschweden
- Einrichtung einer der größten Solaranlagen im Lagerhaus Norrköping für die Stromversorgung der Lieferwagen mit Elektroantrieb und den Verkauf der überschüssigen Energie
- Fuhrparkumstellung unter Verwendung von 64 % Energie aus erneuerbaren Quellen
Die irische An Post beliefert die Stadt Dublin seit drei Jahren ausschließlich mit Elektrofahrzeugen und weitet diese emissionsfreien Lieferungen auf alle größeren Städte Irlands aus. In einer Podiumsdiskussion auf dem Leaders in Logistics Summit zum Thema Nachhaltigkeit sagte David McRedmond, Geschäftsführer von An Post, dass „das Unternehmen erwägt, sein Poststellennetz für Konkurrenten wie DPD zu öffnen, um auch flächendeckend nachhaltigere Lieferungen zu ermöglichen.“
In Hinblick auf die Nachhaltigkeit im Transportsektor zeichnen sich zwei zentrale Herausforderungen ab:
- Die Verfügbarkeit von flächendeckenden technologischen Lösungen, die eine genaue Messung und Optimierung der CO₂-Emissionen ermöglichen
- Die Notwendigkeit harmonisierter Stands für CO₂-Emissionen für einen direkten Vergleich zwischen den Transportunternehmen
Die Deutsche Post hat kürzlich die Einführung eines CO₂-Labels für Pakete vorgeschlagen, das die deutschen Verbraucher über den CO₂-Fußabdruck der verschiedenen Transportunternehmen informiert. Ähnlich wie der „Nutri-Score“, ein System zur Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln, würde dieses Label den Bürgern mehr Transparenz über die durch den Pakettransport verursachten CO₂-Emissionen verschaffen.
Zusammengefasst steht die Postbranche den folgenden zentralen Herausforderungen gegenüber: ein kontinuierlicher Rückgang des Briefvolumens, stark schwankende Paketvolumen, immer kürzere Lieferzeiten, die Nachfrage nach umweltfreundlicheren Lieferoptionen und Rentabilitätsprobleme angesichts der steigenden Betriebskosten. Die Führungskräfte der Postunternehmen versuchen, ihre Betriebe mithilfe der Digitalisierung und insbesondere durch den Einsatz von Technologien (vorrangig KI) effizienter und rentabler zu gestalten. Der zeitintensive Prozess der Digitalisierung und Robotisierung hat bereits begonnen. Gleichzeitig verstärken die Anbieter ihre Bemühungen zur Reduzierung ihrer Umweltauswirkungen, indem sie für die Zustellung im städtischen Raum zunehmend Elektrofahrräder und/oder -fahrzeuge einsetzen und vermehrt Paketstationen bereitstellen.
Kardinal begleitet Postunternehmen auf diesem Weg und hilft ihnen, ihre Umstrukturierung zum Erfolg zu führen. Mit einer einzigartigen Fachkompetenz stellt Kardinal den Postunternehmen innovative Lösungen an die Seite, die ihre betriebliche Effizienz, Rentabilität und Umweltbilanz langfristig optimieren.